Die Gemeinde Hermersberg bei Pirmasens hat sich ein eigenes Biomasseheizkraftwerk gebaut. Nun versorgt sie 39 Häuser eines Neubaugebietes komplett mit der Energie vom eigenen Acker.
Es ist nach Bauherrenangaben in dieser Größe ein bundesweit einzigartiges Projekt. 480 Tonnen Stroh verbrennt die Gemeinde Hermersberg, idyllisch auf einer Anhöhe zwischen Pirmasens und Kaiserslautern gelegen, künftig pro Jahr in ihrem neuen Strohfeuerkraftwerk. Die Pilotanlage versorgt ein Neubaugebiet mit Heizwärme, der Brennstoff kommt direkt vom Acker nebenan. Schon jetzt steigt die Nachfrage. Dabei sieht es nicht aus wie ein Kraftwerk, sondern eher wie ein neuer Pferdestall. Große Holzschiebetore in Traktorbreite, ein schmuckes, rotes Ziegeldach und ein normaler Hauskamin mit grauer Zementfaserplattenverkleidung – kaum etwas der äußeren Hülle lässt vermuten, dass hier auf der Sickinger Höhe ein hochmodernes Biomasseheizkraftwerk steht. Produziert wird mit einem Strohfeuer Wärme für ein benachbartes Neubaugebiet. Rund 600 Grad heiß ist es im Innern des Brennkessels, der in etwa so groß ist wie ein Fiat Panda. Nur ein faustgroßes Schauglas ermöglicht einen Blick ins glutrote Feuer. Einige mächtige Rohre führen zum und vom Kessel weg, nebenan stehen drei Heißwasserspeicher mit zusammen 27.000 Litern Fassungsvermögen als Wärmepuffer. Der Ofen erwärmt Wasser, das in einer Ringleitung als Nahwärme zu den angeschlossenen Häusern in wenigen Hundert Metern Entfernung gebracht wird.
Weil Hermersberg nicht gerade ein stark nachgefragter Wohnort ist, auch nicht am Speckgürtel einer pulsierenden Metropolregion liegt und zudem keinen Erdgasanschluss hat, haben sich Kommunalpolitiker vor Ort 2008 mit der berechtigten Frage beschäftigt, wie sie ihr Dorf attraktiv und zukunftssicher machen können. Wo in abgelegenen Lagen erst Schulen, sodann Läden schließen und in der Folge Bauplatzpreise sinken und Leerstand unverkäuflich wird, wollten die Ratsmitglieder Hermersberg aufhübschen. Ziel war, mit guten Ideen junge Bürger im Ort zu halten, Zuzug zu ermöglichen und so dem Bevölkerungsrückgang im Dorf entgegenzuwirken. Winfrid Krämer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Waldfischbach-Burgalben, zu der Hermersberg gehört, erinnert sich: „Uns allen war klar, dass der Energiepreis künftig immer entscheidender wird, wenn es beispielsweise um die Wohnortfrage geht. Windkraftanlagen großer Dimension gibt es am Meer, Sonnenkollektorenfelder eher im Süden. Sie produzieren günstige Energie und schaffen Standortvorteile. Wir in der Mitte haben aber keinen Vorteil, den wir diesbezüglich ausspielen könnten. Da kam uns die Idee, das zu nutzen, was wir kennen und haben, nämlich die Biomasse der Landwirtschaft.“
Ein EU-Förderprogramm unterstützt die ländliche Entwicklung, auch im Wirtschaftsministerium in Mainz fand der Vorschlag, preiswerte Energie aus vor Ort Vorhandenem zu machen, rasch Unterstützung. Wirtschaftsstaatssekretär Ernst-Christoph Stolper: „In Hermersberg wird mit dieser Anlage Neuland beschritten. Brennstoff kommt direkt aus der Nachbarschaft vom Acker, die Wertschöpfung erfolgt in der Gemeinde, die Nachfrage nach dem Brennstoff Stroh schafft für die traditionelle Landwirtschaft neue Absatzfelder. Zudem ist der Energiepreis für die Endkunden sehr attraktiv und der Umweltvorteil durch die CO2-Einsparung wertvoll.“
39 Privathäuser im Neubaugebiet sind bereits mit dem Start der Anlage am Netz, ein großer Werkzeug-Fachmarkt kommt bald als Abnehmer hinzu. Auch aus dem Altbestand im Dorf gibt es schon fast 40 Interessenten, die mit ihren Häusern ebenfalls an die Nahwärme des Strohfeuerkraftwerks angeschlossen werden wollen.
Ein gutes Dutzend Bauern aus der Region ist seit Anzünden des Strohfeuers auf der Sickingerhöhe zu Brennstoffhändlern geworden. Ihr bislang als Nebenprodukt geltendes Stroh wurde zu einem sprichwörtlich heiß begehrten Energieträger. Es gab Jahre, da fiel auf der Sickinger Höhe durch den Getreideanbau viel mehr Stroh an als in der Umgebung verbraucht wurde – Stroh war also ein echtes Abfallprodukt. Das hat sich jetzt geändert. Die kleine Gemeinde will mit dem Nahwärmekraftwerk ihren Beitrag zur Energiewende leisten, spart zudem jährlich 477 Tonnen CO2. „Ich bin mir sicher, dass unser Strohfeuer kein Strohfeuer im bisherigen Sinne sein wird“, sagt Bürgermeister Krämer stolz.
Die Landwirte des Maschinenrings aus der Umgebung liefern die 300 bis 400 Kilogramm schweren Rundballen in ein Lager an. Ein Transportband fasst von dort einen kleinen Vorrat, sodass die Anlage nicht laufend beschickt werden muss. Überwacht wird alles vom örtlichen Heizungsbauer, der per Mobiltelefon mit der vollautomatischen Steuerung verbunden ist. Tritt eine Störung auf, ist er dank kurzer Wege rasch vor Ort. Damit bei einem größeren Fehler niemand im Kalten sitzen muss, ist mit Blick auf die Versorgungssicherheit ein Notfall-Ölbrenner vorhanden. Das Kraftwerk spart bei durchgehendem Betrieb als Strohfeuerkraftwerk jährlich den Einsatz von einer Viertelmillion Liter Heizöl. Eine vollautomatische Anlage zerpflückt die Ballen und bugsiert die Halme in einen mächtigen Vorratsbehälter, von dort geht es per Förderschnecke in die Brennkammer. Mit 5,6 Cent pro Kilowattstunde – Steuern eingeschlossen – ist der Energiepreis zu fossilen Brennstoffen eine günstige Alternative, zudem sparen sich die Hausbesitzer einen Heizöltank und einen Heizraum. Die Übergabestation der Nahwärme ist kaum größer als ein Umzugskarton und passt problemlos an eine Kellerwand. Bis zu 80 Wohneinheiten kann die Anlage in ihrer bisherigen Auslegung bedienen, deren Baukosten sich auf 900.000 Euro belaufen. Rheinland-Pfalz und EU halfen mit einem Drittel der Kosten.
Gut vier Jahre dauerte es, bis aus der zündenden Idee im Ortsgemeinderat ein loderndes Feuer im Kraftwerk wurde – es gab schlicht keine Vergleichskraftwerke dieser Dimension, allenfalls „ein paar Testöfen“, sagt Ortsbürgermeister Erich Sommer, der im Gemeinderat den Gedanken mit auf den Weg gebracht hatte. Nur in Dänemark fanden sich kleinere Strohfeueranlagen, bei denen brauchbare Technik teilweise zu kopieren war. Deren Rauchgasentgiftung allerdings hätte die strengen deutschen Vorgaben nicht geschafft. Diese Rauchgasentgiftung stellte die Planer vor besondere Herausforderungen, entsprechend schwierig waren Konzeption und Ausschreibung. Bis auf den schweren Kessel blieben die Aufträge für die Gewerke des Baus in der südwestpfälzischen Region. Stolz sind die Hermersberger auf die Rauchgasentgiftung, deren Werte die gesetzlichen Vorgaben um ein Vielfaches unterschreiten. Was vom Feuer übrig bleibt und aus der Reinigungsanlage in einen Bottich fällt, geht als mineralischer Dünger zurück aufs Feld. So schließt sich der Kreis.
„Dass mit der Energiegewinnung nun auch die Wertschöpfung im Landkreis bleibt, ist erfreulich, zudem leistet das Kraftwerk mit der Abnahme landwirtschaftlicher Produkte seinen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft“, sagte Staatssekretär Stolper bei der Inbetriebnahme. Auch die Kommunalpolitiker, die das Projekt angestoßen hatten, freuen sich über „günstige Energie direkt vom Acker“. Sie sehen damit einen wichtigen Grundstein gelegt, um im Wettbewerb zurückgehender Bevölkerung und damit der Frage, welche Kommune sprichwörtlich überlebt, ein gutes Argument in den Händen zu halten. Zum Betrieb ihrer Anlagen haben sie extra ein „Energiewerk der Verbandsgemeinde“ gegründet. Dass die Hermersberger mit ihrem Strohfeuer nicht auf dem Holzweg sind, zeigt das bereits jetzt nahezu ausverkaufte Neubaugebiet, das am Strohfeuerkraftwerk angeschlossen ist.
Markus Frank (Quelle: http://www.magazin-forum.de/pfalzer-dorf-heizt-wieder-mit-stroh/ Bilder dieses Berichtes: http://www.magazin-forum.de)